Rede von Kreisrat Christian Throm vor dem Kreistag am 18.11.2019 (es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Landrat, werte Kolleginnen und Kollegen,

 „Offenheit verdient immer Anerkennung“, so sagte Otto v. Bismarck im Jahre 1849. Offenheit weiß auch die AfD-Fraktion zu schätzen – in den Beratungen des Kreistags und der Ausschüsse, im Haushaltsentwurf und in den Fraktionsgesprächen vor den Haushaltsberatungen. Wir hatten nie den Eindruck, der Landrat, der Kreiskämmerer oder irgendjemand aus der Kreisverwaltung wollten etwas verheimlichen. Das ist und das war auch in früheren Jahren so. Es gibt also eine gemeinsame Faktengrundlage. Bei der Bewertung dieser Fakten ergeben sich im Einzelnen aber durchaus Unterschiede.

Für uns stellt sich der Rems-Murr-Kreis mit einem Etat, der zu zwei Dritteln Sozialkosten (einschließlich des Personals in diesem Bereich) umfasst, wie eine große Umverteilungsmaschine dar. Erstmals seit 2012 würde der Nettosozialaufwand, für den der Kreis geradezustehen hat, nicht mehr durch die Kreisumlage in der vorgesehenen Höhe gedeckt. 1974 umfasste die Kreisumlage des neu gegründeten Rems-Murr-Kreises noch das Anderthalbfache (145 %) des Nettosozialaufwands, und das obwohl die Kreisumlagehebesätze in den 70er Jahren um ein Drittel niedriger lagen als heute.

Es gibt aktuell zahlreiche Kostentreiber im Sozialbereich. Einer davon ist migrationsbedingt. Der damalige Daimler-Chef Zetsche meinte 2015 noch, der Zustrom von Flüchtlingen könne die Grundlage für ein neues Wirtschaftswunder werden. Vier Jahre später sehen wir die bittere Realität, dass die meisten Asylantragsteller Nettotransferempfänger sind. Umso wichtiger ist es, darauf zu bestehen, dass die Kosten für eigentlich ausreisepflichtige Migranten, Geduldete, vollständig vom Land übernommen werden. Man kann den Menschen nicht vorwerfen, dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen. Wir würden es an ihrer Stelle vielleicht genauso wenig tun. Es ist ja eine Entscheidung, die auf Bundes- und Länderebene getroffen wurde, dass trotz aufwändigem Asylverfahren faktisch nahezu alle bleiben können, unabhängig davon, ob sie einen Schutzstatus erhalten oder nicht. Wer bestellt, zahlt! Darauf müssen die Landkreise bestehen. Herr Landrat, bleiben Sie hier bitte mit dem Landkreistag unnachgiebig.

Große Herausforderungen für die Landkreise beinhaltet auch das Bundesteilhabegesetz. Im Zuge dessen benötigt das Sozialamt neue Mitarbeiter. Wir hoffen, dass es hier tatsächlich eine hundertprozentige Gegenfinanzierung vonseiten des Landes gibt. Mit noch weiteren Personalzuwächsen kommt das Kreissozialamt auf ein Mehr an Vollzeitäquivalenten von einem Fünftel, von einem Jahr auf das nächste! Wir hätten erwartet, dass solche Zuwächse an anderer Stelle möglichst kompensiert werden. Während wir heute in der Industrie erleben, dass es auch zu einem Stellenabbau kommen kann, geht der Personalaufbau beim Kreis immer weiter – mal mehr, mal weniger schnell. Wenn man die mehr als 50 Stellen, die im Zuge der Forstreform ausgegliedert werden, in Rechnung stellt, dann haben wir auch im nächsten Jahr 30 Stellen mehr, selbst nach Abzug der KW-Stellen. Dementsprechend ist die Personalkostenentwicklung: Im Vergleich zu 2013 sind die Aufwendungen um 42 Prozent gestiegen. Dass hier wohlverdiente Tarifsteigerungen für die guten und qualifizierten Mitarbeiter der Kreisverwaltung einen wesentlichen Anteil haben, soll dabei gar nicht bestritten werden. Aber in manchem privatwirtschaftlichen Unternehmen wäre ein Zuwachs bei den Personalkosten um mehr als zwei Fünftel innerhalb weniger Jahre ein Alarmsignal. Darüber sollte man einmal nachdenken.

So ganz schlecht kann die Besoldung im öffentlichen Dienst des Kreises und können auch die Arbeitsbedingungen nicht sein, wenn die Verwaltung im laufenden Jahr nicht einmal die selbst auferlegte globale Minderaufwendung zu realisieren in der Lage war, weil freie Stellen unerwartet schnell besetzt werden konnten, und das trotz leer gefegtem Arbeitsmarkt.

Nun ist es aus Sicht der Verwaltung natürlich schlüssig und somit auch nicht zu beanstanden, möglichst viele, möglichst gut bezahlte Mitarbeiter zu beschäftigen. Wir als Kreisräte sollten aber als Vertreter der Steuerzahler eine andere Perspektive haben und hier nicht einfach alles durchwinken, wie es leider immer wieder geschieht.

Die Verschuldung im Kernhaushalt ist in der letzten Zeit deutlich zurückgefahren worden. So erfreulich dies ist, kann es nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schulden bei den Eigen- und Beteiligungsgesellschaften hoch sind und tendenziell weiter ansteigen. Zu unseren Rems-Murr-Kliniken und dem erfolgreichen Sanierungskonzept haben wir uns immer bekannt und tun dies weiterhin. Mit Sorge sehen wir aber die Entwicklung bei der Kreisbaugesellschaft. Mit der Forcierung des sozialen Wohnungsbaus durch den Kreis werden hier Lasten und Risiken übernommen, weil man sich an der Lösung von Problemen versucht, für die man nicht zuständig ist, und wo man doch nur an Symptomen herumkurieren kann. Migrationsbedingt steigt die Nachfrage nach Wohnraum, und die Geldflut der EZB treibt die Inflation im Immobilienbereich immer weiter an. Ein Landkreis verhebt sich an der Aufgabe, dies auch nur zu einem Teil ausgleichen zu wollen.

Gebaut werden sollen nicht nur Wohnungen, sondern ebenso Verwaltungsgebäude in Waiblingen. Das belastet auch den Kernhaushalt wieder, die Verschuldung wird bis 2029 um ein Vielfaches steigen. Die Übernahme des Bauprojekts in der Rötestraße ist vernünftig, weshalb wir sie auch unterstützen. Aber lassen Sie uns doch noch etwas warten mit dem Neubau am Alten Postplatz. Noch haben wir den überteuerten Neubau des Kreiskrankenhauses Winnenden nicht verkraftet, da sollten wir nicht zwei große Verwaltungsbauten zugleich realisieren. In diesem Sinne haben wir einen entsprechenden Antrag eingebracht. Im Übrigen widerspricht es auch ökonomischen Einsichten, einen Großteil des Immobilienkonzepts in der teuren Phase der noch anhaltenden Hochkonjunktur am Bau zu verwirklichen.

Die Industrie befindet sich bereits in der Rezession, die sukzessive auf die gesamte Volkswirtschaft überzugreifen droht. Allenthalben wird die Devise ausgegeben, die „Party“ gehe zu Ende, und damit wird auch für die öffentlichen Haushalte die Lage schwieriger. Der Sozialaufwand wird noch weiter steigen, und die Steuerkraft der Gemeinden wird durch fallende Gewerbesteuereinnahmen geschmälert. Sollte die Blase im Immobilienbereich platzen, werden die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer sinken. Wir müssen schon heute in Erwartung schwierigerer Zeiten die knapper werdenden Ressourcen dort einsetzen, wo dies am meisten Sinn ergibt.

Dazu gehören unsere maroden Kreisstraßen. Die vorgesehene Verteilung der Mittel im Verhältnis zwischen Straßen und Radwegen erscheint uns nicht angemessen, weshalb wir eine halbe Million mehr für die Straßen beantragen. Den Radwegebau unterstützen wir, aber eine neue Straße für Radfahrer, Radschnellweg genannt, zählt für uns nicht zu den sinnvollen Projekten. Landesförderung hin oder her – warum fragt eigentlich niemand bei vier Meter Breite und womöglich noch einem zweieinhalb Meter breiten Fußweg daneben nach Flächenfraß durch Versiegelung, dort, wo neu gebaut werden müsste, und was geschieht mit dem Kraftfahrzeugverkehr, wenn Straßen umgewidmet werden? Die vorgesehenen 100.000 Euro sehen wir bei der Sanierung bestehender Straßen besser angelegt.

Wirksame Umweltschutzmaßnahmen finden unsere Unterstützung. Die Erweiterung des Fuhrparks der Verwaltung, für die 200.000 Euro angesetzt sind, können wir nicht dazu zählen. Erstens sind die umweltfreundlichsten Autos diejenigen, die es gar nicht gibt. Und zweitens sollte man erst einmal Erfahrungen mit den bisher angeschafften Fahrzeugen sammeln, mit den Betriebskosten, mit dem Fuhrparkmanagement, und diese Erfahrungen bewerten.  Eine gründliche Kosten-Nutzen-Analyse wäre hektischem Aktionismus jedenfalls vorzuziehen.

Seit Jahren ein Paradebeispiel für Geldverschwendung unter dem Deckmantel des Umweltschutzes sind die „Stromsparchecker“. 500 Euro für eine Beratung sind ein gutes Geschäft für die Berater, aber ein schlechtes für die Steuerzahler. Wir legen auch dieses Jahr wieder den Finger in die Wunde.

Gut angelegt ist Steuergeld bei der Schülerbeförderung. Wir verstehen den Zorn der Demonstranten in Plüderhausen vor der letzten Kreistagssitzung. Wenn Schüler als zahlende Kunden nicht auf zumutbare Weise in die Schule oder nach Hause kommen, ist dies mehr als nur ein Ärgernis. Es kostet wertvolle Zeit, auch für Schüler eine knappe Ressource, und es schwächt langfristig den ländlichen Raum, der immer weiter ausblutet. Wir beantragen daher, dass der Landkreis umgehend prüft, ob die Wartezeiten der Schülerbeförderungssatzung entsprechen, und ob es darüber hinaus Handlungsbedarf gibt, sodass Missstände umgehend abgestellt werden können.

Zum Schluss noch eine ausdrückliche Zustimmung der AfD-Fraktion zum Vorschlag der Verwaltung, die Höhe des Kreisumlagehebesatzes bei 32,3 Prozent festzulegen: Auf diese Weise werden Mehrerträge außerordentlich fair zwischen Gemeinden und Kreis aufgeteilt, und deshalb sollte der Vorschlag auch so beschlossen werden.